Abstraktion
Kunst als intuitiver Prozess
Nach Abschluss ihres Studiums der Bildhauerei an der Leeds School of Art und am Royal College in London arbeitet Barbara Hepworth auf eigenwillige Weise mit sehr unterschiedlichen Materialien. Sie ist davon überzeugt, dass eine Skulptur in Harmonie mit dem verwendeten Material stehen sollte und dass die Form im Prinzip schon im Material angelegt ist. Um diese Form herauszuarbeiten, verwendet sie die Technik des „direct carving“, also der direkten Bearbeitung des Materials, ohne vorbereitendes Modellieren. Für Hepworth ist Kunst ein intuitiver Prozess, der von der Fähigkeit abhängt, sich mit dem Material zu verbinden und es auf eine organische und spontane Weise zu formen:
Gepiercte Steine
In den späten 1920er-Jahren beginnt Hepworth damit, ihre Arbeiten immer stärker zu vereinfachen und auf das Wesentliche zu reduzieren. 1932 entsteht ihre erste vollkommen abstrakte Skulptur „Abstraction“ (1932), der sie wenig später den Titel „Pierced Form“ gibt. Es ist das erste Mal, dass Hepworth eine ihrer Skulpturen durchstößt, ein Prozess, der für ihr Werk zentral werden soll. Sie empfindet nach eigener Aussage eine immense Freude daran, den Stein zu durchbohren, ihm also ein Piercing zu geben, um „eine abstrakte Form und Raum zu schaffen: eine völlig andere Empfindung als beim Durchbohren für den Zweck des Realismus.“ Zur gleichen Zeit beginnen viele Künstler:innen, sich von traditionellen Formen zu lösen und neue Ausdrucksmöglichkeiten zu erkunden.
Die universelle Sprache der Abstraktion
Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Abstraktion ist Wassily Kandinskys Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ (1911). Darin fordert er eine neue Form der Kunst, die frei von jeglicher gegenständlichen Wiedergabe der Alltagswirklichkeit ist und in der Farben, Linien und Formen eine eigenständige Sprache bilden. Für Kandinsky ist Abstraktion nicht nur ein künstlerisches Mittel zur Erreichung von Harmonie und Spiritualität, sondern ist das Mittel, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Kandinsky ist davon überzeugt, dass abstrakte Kunst eine universelle Sprache ist, die die Menschheit vereinen kann.
Raum und Zeit in der Skulptur
Auch die Veröffentlichung des „Realistischen Manifests“ ist von entscheidender Bedeutung. 1920 von den Brüdern Naum Gabo und Antoine Pevsner publiziert, definiert es Raum und Zeit als fundamentale Kategorien, die die Realität formen und daher auch die Kunst bestimmen sollen. Gabo verändert die Skulptur grundlegend, denn er versteht sie nicht mehr als Gestaltung von Masse, sondern als Konstruktionen, in denen sich die Schwerkraft aufzulösen scheint. An die Stelle von Dauerhaftigkeit treten die Veränderbarkeit und der stetige Wandel.
Paris – Zentrum der künstlerischen Moderne
Paris entwickelt sich in den 1930er-Jahren zu einem Zentrum der Abstraktion und zieht Künstler:innen aus allen Teilen der Welt an. Auch Barbara Hepworth reist immer wieder nach Paris. Innerhalb kurzer Zeit lernt sie so unterschiedliche Künstler:innen kennen wie Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, Constantin Brâncuși, Alberto Giacometti, Pablo Picasso, Naum Gabo, László Moholy-Nagy oder Piet Mondrian. In dieser Zeit baut Hepworth sich ein internationales Netzwerk auf. Sie wird Mitglied in wichtigen Künstlervereinigungen wie „Abstraction-Création“ und ist Mitbegründerin von „Unit 1“, einer Gruppe, deren Ziel es ist, der britischen Avantgardekunst eine große Plattform zu verschaffen. Hepworth ist eng in die Produktion der wegweisenden Publikation „Circle: International Survey of Constructive Art“ eingebunden, die 1937 entscheidend dazu beiträgt, die dort vorgestellten Künstler:innen auch in den USA bekannt zu machen.
Barbara Hepworth und die Autonomie der Skulptur
Essay von Söke Dinkla
Formvollendung, Präzision und eine neue Schönheit sind die Kennzeichen der Skulpturen Barbara Hepworths, die uns zum freien Denken inspirieren. Feine Fadenformationen durchmessen mit technischer Präzision die Aussparungen ihrer Skulpturen. Sie kreieren eine völlig neue Form des Dreidimensionalen. Indem sie Leere nicht füllen, sondern grafisch beschreiben, verbinden sie auf einzigartige Weise handwerklich-technische Innovation mit der Anmut organischer Formen. Sie beflügeln unsere Fantasie, lassen unseren Blick wie in einer subtilen Berührung über ihre Skulpturen gleiten, die sich mit dem Raum verbinden wollen. Es ist die Balance zwischen beschwingter Leichtigkeit und Naturhaftigkeit der Konstruktion, die das Werk Barbara Hepworths auszeichnet. Ihre Skulpturen sind weniger materielle Phänomene der Auflösung von Materie als vielmehr die Konkretion des Zusammenspiels von Volumen und Leere, die sich in einem genau austarierten Gleichgewicht befinden. So führen sie uns in eine andere, eine abstrakte Wirklichkeit, in der es kaum noch Reminiszenzen an Gegenstände aus unserer Alltagswelt gibt. Sie überschreiten die Beschränkungen ihrer Verortung in Zeit und Raum und lassen neue Dimensionen des ästhetischen Erlebens entstehen, die Ausgeglichenheit und Harmonie ausstrahlen.
Geistige Erneuerung durch Abstraktion
Das Werk Barbara Hepworths verkörpert beispielhaft das große Thema der Moderne – die Befreiung der Form durch die Abstraktion. Hepworth ist in der Entwicklung und Theoriebildung der abstrakten Skulptur eine zentrale Figur: Sie hat die freie, abstrakte Form wie keine andere Bildhauerin perfektioniert. Das hat sie zu einer der wichtigsten Bildhauerinnen des 20. Jahrhunderts gemacht, die bis heute Einfluss auf eine jüngere Generation von Künstler:innen ausübt. Hepworth bewegte sich in ihrer Zeit so selbstbewusst wie kaum eine andere Künstlerin in den Kreisen der Avantgarde; heute gehört sie zu den wenigen international renommierten Bildhauerinnen, die sich in der weitgehend männlich geprägten Bildhauerkunst behauptet haben.
Die Befreiung von der Funktion der Nachahmung, von der Abbildung der gegenständlichen Welt, ist eine der entscheidenden Umbruchbewegungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts und sie ist eines der komplexesten Phänomene gerade in der Bildhauerei. Bis heute ist sie eng mit unserer Vorstellung von Fortschritt und Modernität verbunden. Das Abstrakte steht für eine Befreiung von Konventionen und starren, tradierten Reglements, die die äußere Wirklichkeit vorgibt; bis in die Gegenwart hat sie kaum etwas von ihrem Geltungsanspruch verloren. Allerdings war auch die Bewegung der Abstraktion von Beginn an bestrebt, ihre Formensprache in der gegenständlichen Welt zu verankern. Keinesfalls lässt sie sich daher in einem Kurzschluss allein aus der formalen Konkurrenz zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion beschreiben, denn es geht im Kern um eine geistige Erneuerungsbewegung, die aus der freien und potenziell unendlichen Formenvielfalt schöpft. Das Programm der Abstraktion, das Wassily Kandinsky schon 1911 entwarf, ist als Grundlage für den sozialen und geistigen Fortschritt konzipiert. Es ist gegen den »ganze[n] Alpdruck der materialistischen Anschauungen« gerichtet.² Die abstrakte Formensprache soll der inneren Stimme, die sich im Gleichklang mit der geistigen Strömung der Zeit befindet, dem »Innerlich-Wesentlichen«, so Kandinsky, Ausdruck verleihen.
Das Werk Barbara Hepworths fußt auf diesen Überlegungen: Ihre Befreiung von etablierten Konventionen der Nachahmung der gegenständlichen Welt betrifft nicht vor allem formale Aspekte, es führt zu einem Umdenken im sozialen und politischen Sinn – die Lösung von der Gegenständlichkeit wird zum Synonym für Freiheit im Denken und Handeln. Hepworths plastische, organische, oft ovaloide Formen eröffneten ihr einen Reichtum an formalen Möglichkeiten. »Ich habe mich immer für ovale oder ovoide Formen interessiert … [für] das Gewicht, die Ausgewogenheit und die Krümmung des Ovals als Grundform. Das Herausarbeiten und Durchbohren einer solchen Form scheint eine unendliche Vielfalt kontinuierlicher Kurven in der dritten Dimension zu eröffnen.«³ In ihrer ersten vollständig abstrakten Skulptur Abstraction (1932) gibt es keine Reminiszenzen an Gegenständliches mehr; später gab Hepworth ihr den neuen Titel Pierced Form, die durchdrungene Form, mit der sie seit den 1930er-Jahren berühmt geworden ist. Die Schwere des Materials tritt zurück und die Öffnung bestimmt die Form: Äußere und innere, positive und negative Form werden eins und verbinden sich zu einer organischen Gestalt, die den Anspruch hat, eine eigene Wirklichkeit parallel zur Natur zu erschaffen.
Das Streben danach, dem Inneren – dem Geistigen – eine Form zu geben, teilte Hepworth nicht nur mit einigen ihrer Zeitgenossen, sondern auch mit Wilhelm Lehmbruck. Beiden ging es darum, die abstrakte Welt der Gedanken und Vorstellungen auszudrücken. Für beide hatte die Kunst die Funktion, die Beschränkungen des rein Physischen zu überwinden und über diese Grenzerweiterung eine gesellschaftliche Erneuerung zu bewirken. Wenngleich beide Künstler:innen sehr unterschiedliche formale Lösungen finden, so ist es auffallend, dass sie beide Schöpfungs- und Ursprungsmetaphern wählten, um die Zielrichtung ihres Schaffens zu beschreiben: »Ein jedes Kunstwerk muß etwas von den ersten Schöpfungstagen haben, von Erdgeruch, man könnte sagen: etwas Animalisches«, so Lehmbruck.⁴ Für Hepworth bewirkte der Einfluss des Lichts »Intensivierungen … ein Rest uranfänglichen Lebens, der unabdingbar notwendig ist, um Raum und Volumen vollkommener erfassen zu können.«⁵ Lehmbrucks Figuren wachsen förmlich empor, sie streben aus ihrem Körper hinaus, hinein in die Sphäre des Geistigen. Lehmbruck entwickelt mit der sogenannten »gotischen« Längung ein sehr charakteristisches, für seine Zeit einzigartiges Verfahren der Abstraktion. Die Kniende ist ein Schlüsselwerk der Moderne, es ist die Plastik, mit der er 1913 in den Vereinigten Staaten von Amerika erstmals internationale Anerkennung erhielt. Sie zeigt, wie sich die Abstraktion als Methode der Darstellung einer neuen Wirklichkeit herausbildete, auch wenn Lehmbruck keineswegs auf die menschliche Figur verzichtete. Lehmbrucks Werke sind bislang kaum im Kontext der Bewegung der Abstraktion betrachtet worden: Bezüge zwischen seinem späten Werk Liebende Köpfe (1918), das ein Jahr vor seinem Tod entstand, und frühen Skulpturen von Barbara Hepworth, wie Two Heads (1932) und Large and Small Form (1934) zeigen, dass es beiden darum ging, der Welt der Gedanken und Gefühle eine zunehmend abstrakte Form zu geben.
Anfänge in der Avantgarde der 1920er-Jahre
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht oftmals das Werk Hepworths seit den 1930er-Jahren; gleichwohl hat sie zwischen 1920 und 1934 bereits fünfundsechzig Werke geschaffen, von denen fünfzig erhalten sind.⁶ Bereits im Frühjahr 1924, kurz nach ihrem Abschluss am Royal College of Art in London, entstand ein Hochrelief für den Haupteingang eines Krankenhauses.⁷ In den folgenden Jahren erreichte Hepworth eine handwerkliche Meisterschaft in der direkten Arbeit mit Stein und später auch mit Holz. Das war deshalb ungewöhnlich, weil das sogenannte direct carving, das unmittelbare Herausarbeiten aus Stein oder Holz, nicht Teil des Ausbildungsprogramms des Royal College of Art war und dort erst 1932 in die Bildhauerausbildung integriert wurde. Hepworth hat also früh die besonderen Herausforderungen der Bildhauerei gesucht und gerade den Umgang mit harten Materialien gemeistert. Die technischen Fertigkeiten hatte sie sich außerhalb der akademischen Ausbildung angeeignet. Ihr Italienaufenthalt ab 1924 ermöglichte ihr, die Arbeit mit Marmor zu erlernen: Es entstanden erste Marmorskulpturen wie Doves (1927) und Mask (1928). Das Formenvokabular orientierte sich zunächst an der menschlichen Figur und an Tierfiguren. In der Skulptur Torso (1928) und in der Figurengruppe Mother and Child (1927), die sie aus einem Block aus Hoptonwood-Stein herausarbeitete,⁸ zeigt sich Hepworths frühe technische Meisterschaft. Ihre Materialien erweiterten sich bald auf Alabaster, Sandstein und Onyx. Mit diesen Skulpturen hatte Hepworth schon in der Zeit ihres Entstehens Erfolg: Doves und Mother and Child wurden ebenso wie ihr späteres Werk Seated Figure (1932/33) von dem Sammler und Orientalisten George Eumorfopoulos erworben.⁹ Die oft kleinformatigen Figuren sind nicht etwa Salon- oder Genreplastiken, wie ihre Sujets zunächst nahelegen. Sie sind vielmehr im Kontext der nichtwestlichen Kulturen zu betrachten, von denen sie inspiriert sind. Es sind Werke von höchster Perfektion mit einer Qualität, die in ihrer »Intimität« an einen »Talisman« erinnern, wie Penelope Curtis treffend schreibt.¹⁰ Es sind kleine Figurinen, denen eine spirituelle Kraft, eine Schutzfunktion, eigen ist. Hier deutet sich bereits die Rolle an, die die Abstraktion für Hepworth später spielen sollte.
Das Einfache, Archaische und Ursprüngliche sind Qualitäten, die ihr Werk Ende der 1920er-Jahre charakterisieren. Die Jahre 1927 und 1928 waren für Hepworth wie für ihren ersten Ehemann John Skeaping eine entscheidende Zeit. Ihre Werke wurden in der Beaux Arts Gallery in London gezeigt und waren Teil der Ausstellung Modern and African Sculpture in Sydney Burneys Londoner Galerie, die Gemeinsamkeiten zwischen der modernen Skulptur und der afrikanischen Kunst herausstellte. Die Kritik der Times hob besonders das Werk von Hepworth positiv hervor: Ihre Arbeit sei sich im Vergleich mit den Werken Skeapings der charakteristischen Form des Materials bewusster, die sich von seiner Substanz unterscheidet. Die meisten ihrer Skulpturen seien innerhalb des Kubus so gestaltet, als ob sie darin »gefunden« worden wären.¹¹ In den folgenden Jahren wurde die »Wahrheit des Materials« für Hepworth zu einer wichtigen Leitlinie. Zugleich entfernten sich ihre Werke immer weiter von der Gegenständlichkeit; sie entwickelten eine eigene Schönheit des Materials, aus der wie selbstverständlich die Form und der Inhalt resultierten. Hepworth knüpft damit an bedeutende Entwicklungen der Avantgarde der 1910er- und 1920er-Jahre an.
Wie alle großen Erneuererinnen und Erneuerer der Skulptur stellte auch Hepworth ihr Werk bewusst in eine Traditionslinie mit der Bildhauerkunst seit der Antike. Ab 1947 gab sie ihren Werken griechische und römische Titel wie Janus (1948), Orpheus (1956), Discs in Echelon (1959) und Single Form (Caryatid ) (1961). Das Werk Hepworths entstand im Bewusstsein der eigenen historischen Position und Zeitgenossenschaft. Parallel zu ihrer bildhauerischen Arbeit verfasste sie dazu ihre kunsttheoretischen Schriften, die dem künstlerischen Werk ebenbürtig sind.¹² In ihrem programmatischen Text »Skulptur« beschreibt sie das Verhältnis zwischen der Abstraktion und ihrem sozialen Fortschrittspotenzial. Eine »klare gesellschaftliche Lösung« kann, so Hepworth, nur dann erreicht werden, wenn es eine Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen gibt: »Wenn wir sagen, eine bedeutende Skulptur besitze visionäre Kraft, Stärke, Maßstab, Ausgewogenheit, Form oder Schönheit, dann sprechen wir nicht von physischen Attributen. Vitalität ist kein physisches, organisches Attribut der Skulptur – sie ist ein inneres, geistiges Leben. Kraft ist nicht Arbeitskraft oder ein physisches Vermögen – sie ist eine innere Stärke und Energie.«¹³
Für Hepworth war die Abstraktion eine zeitlose Qualität der Kunst, die weder an eine bestimmte Epoche noch an eine bestimmte künstlerische Gattung gebunden ist.¹⁴ Der Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Universalität verbindet sie mit wesentlichen Protagonisten der Abstraktion. Constantin Brâncuși lernte Hepworth 1932/33 in Paris kennen, Naum Gabo war lange Zeit Teil des Künstlerkreises in St Ives und die Werke Hans Arps beeindruckten sie tief bei ihrem Besuch 1933 in dem gemeinsamen mit Sophie Taeuber-Arp unterhaltenen Pariser Atelier. Mit Henry Moore verband sie seit ihrem Kunststudium an der Leeds School of Arts und am Royal College of Art in London eine enge künstlerische Beziehung, die noch intensiver wurde, als Moore und seine Ehefrau Irina 1929 nach Hampstead in die Nähe des Studios von Hepworth zogen.
Besonders Constantin Brâncuși besaß eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der modernen Skulptur. Als junger Künstler ging er nach Paris, arbeitete als Assistent im Atelier Auguste Rodins und war zunächst von dessen Formensprache geprägt, die er aber schon bald hinter sich ließ. Im krassen Unterschied zum Infinito, der Unfertigkeit der Skulptur, die zu Rodins wesentlichen Neuerungen zählt, schuf Brâncuși Skulpturen, die nach Perfektion und Formvollendung streben. Er orientierte sich oft noch an der menschlichen Figur, entwickelte allerdings eine Formensprache, die sich auf die elementaren Grundformen konzentriert. Die Vereinfachung war für ihn das geeignete Mittel der Erkenntnis: »Einfachheit ist kein Ziel, sondern eine unumgängliche Annäherung an den wahren Sinn der Dinge.«¹⁵ Sein Ziel war es, die ideale Form, die Urform zu entwerfen. Während Piet Mondrian und Kasimir Malewitsch als konsequente Vertreter der Abstraktion in der Malerei gelten, trifft dies auf Brâncuși im Bereich der Bildhauerei zu. Mit seiner grandiosen Skulptur La Négresse blonde (1926) nähert er sich seinem Ziel. Sie gilt heute als Inkunabel der Abstraktion in der Bildhauerei. Bei näherem Hinsehen erkennen wir in der glänzenden Bronzeskulptur eine menschliche Figur: einen eiförmigen Kopf mit auffälligen Lippen und zwei Haarknoten auf der Krone des Kopfes und am Hinterkopf. Im Titel spiegelt sich die in der Kunst der Avantgarde verbreitete Faszination der afrikanischen Kultur, bei Brâncuși findet sie in der Vereinigung der Gegensätze blond und schwarz ihren ästhetischen Ausdruck.¹⁶ Kontraste wie glänzend und matt sowie weich und hart kennzeichnen die Materialien der harten, hochpolierten Bronze und des weichen, matten Sandsteins des Sockels, der zugleich den Körper der Figur bildet. Brâncușis Ziel war »eine bis ins letzte durchgearbeitete Vereinfachung und Proportionierung der Massen«, in der sich »das Gedachte und Gewachsene, das Geistige und Materielle, Geometrische und Organische« restlos durchdringen.¹⁷
Begegnung mit Constantin Brâncuși und Hans Arp
Es waren die Einfachheit und Reduktion, die Hepworth besonders beeindruckten: »1932 besuchten Ben Nicholson und ich den rumänischen Bildhauer Constantin Brâncuși in seinem Pariser Atelier. In Brâncușis Werkstatt erlebte ich jenes wunderbare Gefühl von Ewigkeit, vermischt mit geliebtem Stein und Steinstaub. Es ist nicht leicht, eine lebendige Erfahrung dieser Art in wenigen Worten zu beschreiben – die Schlichtheit und Würde des Künstlers, das gesamte riesige Atelier, gefüllt mit in die Höhe strebenden sowie ruhigen, stillen Formen, alle in einem Zustand der Vollkommenheit in ihrer Bestimmung und liebevollen Ausführung.«¹⁸ Aus diesem Besuch schöpfte Barbara Hepworth große Inspiration. Es sind vor allem die ovaloiden Formen, die äußerste Glätte und Perfektion und das Austarieren von Kontrasten, die ihr bildhauerisches Werk der folgenden Jahre prägten.
Überliefert ist die befreiende Wirkung, die das Werk von Hans Arp auf Hepworth ausübte.¹⁹ Arps organisch modellierte Skulpturen entwickeln eine eigene plastische Präsenz, in der das Fließen und Morphing die Form bestimmt. Von besonderer Bedeutung für Hepworth dürften seine »menschlichen Verdichtungen« gewesen sein, die ab 1933 entstanden sind. Ein Beispiel dafür ist die Skulptur Concrétion humaine sur coupe ovale. Arp formulierte seine Ziele wie folgt: »Wir wollen nicht die Natur nachahmen. Wir wollen nicht abbilden. Wir wollen bilden, wie die Pflanze ihre Frucht bildet … Wir wollen unmittelbar und nicht mittelbar bilden … Die konkrete Kunst möchte die Welt verwandeln und sie erträglicher machen.«²⁰ Das Organische bekommt eine neue Bedeutung und bindet Mensch und Natur in einen kosmischen Zusammenhang ein. Das trifft auch auf die geometrischen Skulpturen in Marmor zu, die im Werk von Hepworth seit Mitte der 1930er-Jahre entstanden wie Two Segments and Sphere, die deutliche Bezüge zu den Skulpturen von Alberto Giacometti besitzen. In den 1970er-Jahren sollte Hepworth schließlich daran anknüpfen und die geometrischen Formen mit Werken wie Three Forms in Echelon (1970) und den Gruppen der Magic Stones weiter perfektionieren. Der Glaube an die heilende und ausgleichende Kraft der Kunst war ein starkes Motiv, das die Kunst der Zwischenkriegszeit prägte.
1934 war das Jahr, das Hepworth selbst als eine Zäsur wahrnahm:²¹ Alle Spuren eines Naturalismus verschwanden und die Werke definierten sich über ihre Konstruktion, über ihr Maß, das Verhältnis von Raum, Textur und Materialität. Während Brâncuși in seiner Arbeit La Négresse blonde die Verschränkung von Skulptur und Raum durch die spiegelnde Oberfläche der glänzend polierten Bronze erreichte, perforierte Hepworth ihre Skulpturen. Sie fügte Leerräume ein, um Materialität und Leere zu kontrastieren. Ihre pierced forms, die durchbrochenen Formen, zelebrieren ihre eigene Durchdringung. Hepworth bearbeitete die Leerräume später aufwendig auch mit Farbe und führte damit formale Elemente ein, die für die Malerei des idealtypischen abstrakten Künstlers Piet Mondrian konstitutiv waren.²² 1940 entstanden Maquetten der Sculpture with Colour (Deep Blue and Red), die sie schließlich 1943 in Holz fertigen konnte.
Die politische Dimension der abstrakten Kunst
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs waren der Austausch und die wechselseitigen Einflüsse besonders intensiv: Paris war die Metropole der internationalen Kunstszene. Aufstrebende Künstlerinnen wie Barbara Hepworth kamen nach Paris, um Kontakte zu knüpfen und ihr Werk bekannt zu machen. Es entstand eine facettenreiche Avantgarde, die auch enge Beziehungen zur englischen Kunstszene hatte. Die abstrakte Kunst besaß eine politische Dimension, die in den 1930er-Jahren immer präsenter wurde. Sie übertrug revolutionäre Begrifflichkeiten aus der Sphäre der Politik auf die Kunst und stand für die Freiheit des Denkens. Die abstrakten Künstlerinnen und Künstler wiederum traten für eine »universelle Freiheit« ein, die auf einer »Freiheit der Ideen« und der Einbildungskraft gründete.²³ Als die totalitären Regimes in Russland und in Deutschland die abstrakte Kunst zunehmend unterdrückten, wuchs die Gruppe der Exilant:innen in Paris. Diejenigen unter ihnen, die künstlerische wie gesellschaftspolitische Überzeugungen miteinander teilten, emigrierten und fanden in Großbritannien einen Zufluchtsort. Ab 1939 wurde das Haus von Barbara Hepworth und ihrem zweiten Ehemann Ben Nicholson in St Ives in Cornwall zum Treffpunkt von Künstlerinnen und Künstlern aus Malerei, Bildhauerei, Literatur und Musik.²⁴
Naum Gabo, der 1921 nach dem Ende des Bürgerkriegs die Sowjetunion verließ, war bereits 1935 mit László Moholy-Nagy nach London gekommen. Gabo veränderte die Skulptur grundlegend, denn er verstand sie nicht mehr als Gestaltung von Masse, sondern als Konstruktionen. Seine Arbeit war von besonderer Bedeutung für Hepworth: »Gabo hat in den sechs Jahren, in denen er hier lebte und arbeitete, eine große Wirkung gehabt. Seine ungewöhnliche Ausdruckskraft in Diskussionen und der außergewöhnliche Charme seiner Persönlichkeit, wenn er von kreativen Prozessen sprach, schienen bei allen, die in seine Nähe kamen, eine große Energie freizusetzen.«²⁵ Naum Gabo strebte nach einer neuen Ordnung. Er erfand konstruktive, transluzente Formen, in denen sich die Schwerkraft aufzulösen schien. Gemeinsam mit seinem Bruder Antoine Pevsner erkannte er »in der bildenden Kunst ein neues Element, die kinetischen Rhythmen, als Grundlagen unserer Wahrnehmung der realen Zeit« und als Wesen des aktuellen bildnerischen Schaffens.²⁶ An die Stelle von Dauerhaftigkeit trat der Impetus der Veränderbarkeit und des Wandels. Hepworth lernte Gabos Werk bei einem Gastspiel des Russischen Balletts in London kennen, für das er die Bühnenausstattung entworfen hatte. 1939 zogen Naum und Miriam Gabo nach Cornwall in die unmittelbare Nähe von Hepworth und Nicholson, mit denen sich eine enge Freundschaft entwickelte. Die Künstlergruppe wurde vor allem auch durch ihre publizistische Tätigkeit einflussreich: Zusammen mit Leslie und Sadie Martin formulierten Gabo, Hepworth und Nicholson 1937 in der bereits erwähnten Publikation Circle die Grundsätze der Konstruktivistischen Kunst. Maler, Bildhauer, Architekten und Schriftsteller äußerten sich programmatisch zu ihrer Arbeit, sie bildeten eine Gruppe, die gemeinsam an der Abstraktion in Kunst und Design arbeitete.
Barbara Hepworth entwickelte den ihr eigenen konstruktiven Stil mit ihren String Pieces, die zu ihren ikonischen Werken avancierten. Nachdem sie als erste Bildhauerin den Hohlraum als formprägendes Element in ihre Werke eingeführt hatte,²⁷ definierte sie diesen Raum als Tiefe, dessen Gestaltung in der Lage ist, die Skulptur zu dynamisieren. Die Grenzen zwischen Leere und Masse gehen ineinander über. Offenheit, Dynamik und Multiperspektivität prägen die Skulpturen Hepworths seit den 1940er-Jahren. Es sind Qualitäten, die für eine neue Zeit, für einen Neuanfang stehen. Herbert Read, der einflussreichste Kritiker Großbritanniens, beschreibt die Qualität ihres Werkes wie folgt: »Ich kenne keine besseren Beispiele für eine solche, rein abstrakte kinetische Skulptur als bestimmte Werke der Bildhauerei von Barbara Hepworth, bei denen ein Kontrapunkt zwischen den organischen Rhythmen des Holzes und den geometrischen Intervallen der über die Vertiefungen gespannten Schnüre geschaffen wird.«²⁸ Die strenge Geometrie, die eine ordnende und rationalisierende Funktion in sich trägt, wurde in den folgenden Jahren für Hepworth stilbildend. Neben den mehrteiligen Werken etablierte sich ab 1937 die hochaufragende Single Form als ein Hauptmotiv. Zusammen mit den geometrischen Skulpturen wirkten sie daran mit, das historische Fundament der autonomen Formen der Minimal Art in den 1960er-Jahren zu bilden.
Mit dem Ende des Krieges scheinen dem Erfindungsreichtum Hepworths keine Grenzen mehr gesetzt gewesen zu sein. Sie erhielt Aufträge für Skulpturen im öffentlichen Raum, und so veränderten sich Format und Material grundlegend. Mit Turning Forms (1950/51) – auch als Dynamic Forms und Pierced Revolving Abstract Form bezeichnet – entstand ein Werk, das sich dem umgebenden Raum und den Betrachtern von allen Seiten öffnet. Die mehr als zwei Meter große Skulptur besteht aus Stahlbeton und besitzt eine Oberfläche aus strahlend weißem Zement. Sie trägt die wirbelnde Bewegung nicht nur in ihrer sich in die Höhe schraubenden Form, sondern wurde ursprünglich von einem Motor angetrieben, sodass sie sich alle zwei Minuten um die eigene Achse drehte.²⁹ Hepworth führte mit der Bewegung die Zeit als neue Dimension in die Skulptur ein: »Die beiden Dinge, die mich am meisten interessieren, sind die Bedeutung der menschlichen Handlung, Geste und Bewegung in den besonderen Umständen unseres heutigen Lebens sowie die Beziehung dieser menschlichen Handlungen zu Formen, die in ihrem Gehalt ewig sind.«³⁰ Das Ideal der äußersten Entmaterialisierung der Form realisierte sich in der kinetischen Skulptur. Masse und Volumen lösen sich auf und verschmelzen mit dem Umraum. Für das Electronics Center von Philips in London schuf sie 1956 mit Theme on Electronics (Orpheus) eine weitere kinetische Skulptur, die mit einem Motor in Rotation versetzt wird. Das Ideal der Aufhebung der Grenzen von Kunst und Leben, das Hepworth bereits in den 1930er-Jahren mit der Gestaltung von Alltagsgegenständen wie Vorhängen und Tafelgeschirr angestrebt hatte, realisierte sich in den folgenden Jahren mit zahlreichen prominenten Skulpturen, die im Außenraum ihren Platz fanden.
Kulturpolitische Wirkkraft
Barbara Hepworth hat mit Präzision, gedanklicher Schärfe und unerschöpflicher Innovationskraft dazu beigetragen, dass die Skulptur in Großbritannien internationale Wirkung entfaltete. Gerade im Deutschland der Nachkriegszeit stand die britische Skulptur für den Neuanfang und eine neue Autonomie auch im gesellschaftspolitischen Sinn. Für Hepworth war die Kunst ein Gegengewicht zu »jeder materialistischen, inhumanen oder mechanistischen Denkweise«.³¹ Ihr Werk steht beispielhaft für die abstrakte Skulptur nicht nur in Großbritannien.Sie hat die Entwicklung der abstrakten Plastik in Deutschland mitgeprägt und mit der Ausstellung ihrer Werke auf der ersten und zweiten documenta ihre Internationalisierung vorangetrieben. Als erste große und umfassende Ausstellung moderner Kunst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland besitzen die documenta-Ausstellungen 1955 und 1959 eine kulturpolitische Schlüsselrolle.³²
Zukunftsweisend ist Hepworths interdisziplinäre Arbeit in den Bereichen Musik, Tanz und Theater. 1951 hat sie das Bühnenbild und die Kostüme für die Londoner Theaterproduktion Electra im Old Vic Theatre entworfen, es folgte 1955 der Entwurf des Bühnenbilds und der Kostüme für die Uraufführung der Oper The Midsummer Marriage im Royal Opera House, Covent Garden. Barbara Hepworth engagierte sich im lokalen Kulturleben von St Ives: Zusammen mit der Komponistin Priaulx Rainier und dem Komponisten Michael Tippett rief sie 1953 das St Ives Festival ins Leben, das im Zusammenwirken von Musik, Theater und bildender Kunst einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten sollte. Hepworths Engagement gründet in der Überzeugung, dass die Kunst – und insbesondere die Musik – als universelle Sprache die emotionale Kraft hat, die Menschen zu vereinen.³³ Es entstanden in dieser Zeit Hepworths mehrfigurige Gruppierungen auf einer rechteckigen Fläche, die einer Miniaturbühne gleicht. Bühnenproduktionen und skulpturales Werk beeinflussten sich wechselseitig. Sie weisen hellsichtig den Weg für eine interdisziplinäre und multimediale Kunst, die in den folgenden Jahren die Avantgarde prägen sollte.
Die Idee einer Weltbühne kann als ein Modell dienen, um den Kern des Gattungsgrenzen überschreitenden Werks Hepworths zu erfassen. Die Strategie der Abstraktion ist ihr Mittel, um der »Unordnung der Welt« (Piet Mondrian) eine neue Ordnung zu geben.³⁴ Hepworth gelingt es, mit ihrem Werk auf einzigartige Weise Gegensätze in ein dynamisches Gleichgewicht zu bringen: Während die abstrakte Kunst sich oft dogmatisch aus der Negation und Abgrenzung zu konventionellen Kunstformen definierte, entwickelte Hepworth eine geometrisierende, allgemein verständliche Formensprache, die sich von einer individuellen Handschrift befreite und zugleich der handwerklichen Bearbeitung der Naturmaterialien Stein und Holz eine neue zeitgemäße Bedeutung verlieh. Sie entwarf eine universelle Formensprache, die in der Lage ist, Dualitäten miteinander in Einklang bringen. Die Skulpturen Hepworths wirken in ihrer Zeit stilbildend; sie zeigen, dass natürliche Materialien und handwerkliche Perfektion nicht im Widerspruch zu den rationalisierenden Verfahren der Abstraktion stehen, sondern sich wechselseitig beeinflussen. Es entstanden Werke, die in ihrer Ruhe, ihrer inneren Balance und Ausgeglichenheit die befriedende Kraft der Kunst freisetzen. Dies ist keineswegs ein Selbstzweck, sondern besitzt eine integrative Wirkung: »Im Idealfall ist jeder Mensch ein Künstler, aber ich denke, die Lektion, die wir lernen müssen, liegt in der Art und Weise, wie wir leben … alles sollte kreativ sein.« ³⁵ In einer Zeit, die von den Traumata des Krieges und der Sehnsucht nach einem Neuanfang geprägt ist, hat das Werk Hepworths das Potenzial, befreiend zu wirken und – über die Befreiung des Geistes – auch an einer Befreiung der Gesellschaft mitzuwirken. Das Werk Barbara Hepworths stellt unter Beweis, dass formale Innovationen Ausdruck für Veränderungen sind, die Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes besitzen.
¹ Hepworth 1937, S. 115: »›Abstract‹ is a word which is now most frequently used to express only the type of the outer form of a work of art; this makes it difficult to use it in relation to the spiritual vitality or inner life which is the real sculpture«.
² Kandinsky 1911, S. 4.
³ Hepworth 1946, zit. nach Ausst.- Kat. London 2018, S. 57: »I have always been interested in oval or ovoid shapes … the weight, poise and curvature of the ovoid as a basic form. The carving and piercing of such a form seems to open up an infinite variety of continuous curves in the third dimension«.
⁴ Westheim 1919, S. 61.
⁵ Hepworth, zit. nach Ohff 1994, S. 2.
⁶ Vgl. Curtis 1994, S. 28.
⁷ Vgl. ebd., S. 12.
⁸ Hoptonwood-Stein ist eine Art Kalkstein, der in Derbyshire, England, abgebaut wird. Wegen seiner feinen, an Marmor erinnernden Qualität wird er besonders in der Steinbildhauerei verwendet.
⁹ Vgl. ebd., S. 15.
¹⁰ Ebd., S. 17: »intimacy«; »talisman-like«.
¹¹ The Times, 7. Dezember 1928 und 13. Juni 1928, zit. nach Curtis 1994, S. 19.
¹² Vgl. Bowness 2015, insbesondere S. 7.
¹³ Hepworth 1937, S. 113–116: »When we say that a great sculpture has vision, power, vitality, scale, poise, form or beauty, we are not speaking of physical attributes. Vitality is not a physical, organic attribute of sculpture—it is a spiritual inner life. Power is not man power or a physical capacity—it is an inner force and energy«.
¹⁴ Ebd., S. 113: »Abstract sculptural qualities are found in good sculpture of all time, but it is significant that contemporary sculpture and painting have become abstract in thought and concept. As the sculptural idea is in itself unfettered and unlimited and can choose its own forms, the vital concept selects the form and substance of its expression quite unconsciously«. Dt. Übersetzung: »Abstrakte skulpturale Qualitäten finden sich in guten Bildhauerarbeiten aller Epochen, wichtig ist, daß die zeitgenössische Bildhauerei und Malerei ihrer Idee und Konzeption nach abstrakt geworden sind. Wie die skulpturale Idee in sich frei und unbeschränkt ist und ihre eigenen Formen wählen kann, wählt die vitale Vorstellung Form und Stoff ihres Ausdrucks ganz unbewußt«. Naum Gabo, Henry Moore und Barbara Hepworth neben einem Porträt von Herbert Read auf der Herbert Read Gedächtnisausstellung in der Tate Gallery, 1968
¹⁵ Brâncuși, zit. nach Giedion-Welcker 1958, S. 220: »La simplicité n’est pas un but dans l’art, mais on arrive à la simplicité malgré soi en s’approchant du sens réel des choses«.
¹⁶ Der Originaltitel spiegelt den kolonialen Entstehungskontext des frühen 20. Jahrhunderts und entspricht nicht den heutigen Maßstäben einer diskriminierungskritischen geschichtsbewussten Sprache.
¹⁷ Giedion-Welcker 1937, S. 11.
¹⁸ Hepworth 1952, wiederabgedr. in Bowness 2015, S. 61: »In 1932, Ben Nicholson and I visited the Romanian sculptor Constantin Brancusi in his Paris studio … In Brancusi’s studio I encountered the miraculous feeling of eternity mixed with beloved stone and stone dust. It is not easy to describe a vivid experience of this order in a few words—the simplicity and dignity of the artist; … the whole great studio filled with soaring forms and still, quiet forms, all in a state of perfection in purpose and loving execution«.
¹⁹ Es bewirkte, dass sie die Figur in der Landschaft mit neuem Blick sehen konnte, siehe Hepworth 1952, zit. nach Wilkinson 1994, S. 45:» I began to imagine the earth rising and becoming human. I speculated as to how I was to find my own identification, as a human being and as a sculptor, with the landscape around me«, siehe zu Arp und Hepworth auch ebd., S. 50.
²⁰ Arp 1955, S. 79.
²¹ Vgl. dazu Wilkinson 1994, S. 53: »When I started carving again in November 1934 my work seemed to have changed direction … all traces of naturalism had disappeared«.
²² Mondrian bezog 1938 ein Studio gegenüber von Hepworths Studio in London.
²³ Harrison / Wood 2003, S. 426.
²⁴ Schon 1933 wurde Hepworth Mitglied der 1931 gegründeten einflussreichen Gruppe Abstraction-Création, der auch Hans Arp, Alberto Giacometti, Alexander Calder, Georges Vantongerloo und Naum Gabo angehörten. Siehe auch die Beiträge von Jessica Keilholz- Busch und Eleanor Clayton in der vorliegenden Publikation, S. 70, 92. Eines der zentralen Postulate der Gruppe war die Gleichsetzung von »Freiheit« und »Abstraktion«.
²⁵ Hepworth 1952, wiederabgedr. in Bowness 2015, S. 67: »Gabo made a profound effect during the six years he lived and worked here. His unusual powers of expression in discussion and the exceptional charm of his personality when talking of creative processes seemed to unleash a great energy in all who came near him«.
²⁶ Gabo / Pevsner 1920, wiederabgedr. und übers. in Ausst.-Kat. Dallas u. a. 1986, S. 204.
²⁷ Vgl. dazu Wilkinson 1994, S. 37–38.
²⁸ Read 1954, S. 102: »I know of no better examples of such purely abstract kinetic sculpture than certain carvings by Barbara Hepworth in which a counterpoint is created between the organic rhythms of the wood and the geometric intervals of the strings stretched across the hollows«.
²⁹ Barbara Hepworth produzierte Turning Forms im Auftrag des Festival of Britain, einer einmaligen Nationalausstellung im Vereinigten Königreich im Jahr 1951. Nach dem Ende des Festivals wurde die Skulptur 1952 in der St Julian’s School (heute Marlborough Science Academy) in Saint Albans, einer Stadt im Nordwesten Londons, aufgestellt. Von Mai bis November 2021 wurde das Werk im neu erbauten Museum The Hepworth Wakefield gezeigt, bevor es schließlich nach Saint Albans zurückkehrte. Vgl. The Hepworth Estate o. J., o. S.
³⁰ Hepworth 1952, wiederabgedr. in Bowness 2015, S. 72: »The two things, which interests me most are the significance of human action, gesture, and movement in the particular circumstances of our contemporary life, and the relation of these human actions to forms which are eternal in their significance«.
³¹ Hepworth 1959, wiederabgedr. in Bowness 2015, S. 126: »I see the present development in art as something opposed to any materialistic, anti-human or mechanistic direction of mind«.
³² Barbara Hepworth gehört zu den wenigen Bildhauerinnen, deren Werke zu ihren Lebzeiten Eingang in die Sammlungen deutscher Museen fanden. Ein repräsentatives Beispiel hierfür ist Caryatid (Single Form) (1961), ein Schlüsselwerk der Künstlerin, das schon im Jahr 1963 in die Sammlung des Lehmbruck Museums aufgenommen wurde.
³³ Barbara Hepworth in einem Brief an den Herausgeber der The St Ives Times, 1953, wiederabgedr. In Bowness 2015, S. 83.
³⁴ Mondrian 1937, S. 46: »world disorder«.
³⁵ Hepworth 1952 in einem Interview mit dem Londoner Magazin Ideas of To-Day, 2, 4, 1952, wiederabgedr. in Bowness 2015, S. 78–79.